In Mannheim und Umgebung wurden Franziska Wolffs malerische Arbeiten in den letzten Jahren schon in einigen Ausstellungen ( Galerie Strümpfe, Artscoutneo oder Galerie rotZku) bekannt, damals noch großmarmatige Tuscheschüttungen auf Papier. Immer wieder verblüffte den Betrachter die schiere Größe der gewaltigen Papierarbeiten der 1987 in Berlin geborenen Künstlerin, die geradezu gegenläufig - alle Künstler wollen nach Berlin! - mit 18 Jahren und Realschulabschluss nach Mannheim kam, weil man hier ohne Abitur an der Rödelschule studieren konnte. Franziska Wolff wusste schon immer, dass sie malen wollte, auch dass abstrakte Formen ihr Thema sind. Heute, nach fünf Semestern Akademie in Karlsruhe, sagt sie, dass sie wegwollte von der zufälligkeit ihrer Kunst. (1)
Sie geht deshalb heute ganz anders und sehr gezielt vor: Die Künstlerin hat ein Archiv oder Inventar von Formen angelegt, die sie gesammelt hat aus selbst gemalten oder gezeichneten Umrissen, aus Farbspritzern oder Tropfen laufender Farbe, die ihr unterkamen, auch im Internet. Diese Umrisse vergrößert sie analog und bringt sie sodann auf ihre Leinwände auf. Auf diese Weise können, wie wir hier sehen sehr farbintensive, nicht eindeutig erkenn- oder zuordenbare Gefüge entstehen, die aber eben nicht mehr zufällig, sondern geplant sind und so auch intensiviert werden können. Sie wirken absoulut expressiv, gestisch, sind aber gewollt, vorbereitet und wissenschaftlich forciert.
(1) Aus einem Gespräch im Januar 2016 in ihrem Atelier in Schloss Scheibenhardt (Außensteller der Akademie in Karlsruhe)
War in dem Arbeiten mit Tusche oder Aquarellfarbe auf Papier das Bindemittel immer Wasser, mit all seinen Vor- und Nachteilen - leichtes Mischen und schöne Verläufe versus sich wellendes Papier mit hochstehenden Ecken -, sind es heute stabile Leinwände, auf die sie mehrere Farbmaterialien aufträgt: Lack, Sprühfarbe, aber auch ganz selbstverständlich die Vorzeichnung mit Bleistift. In Zukunft möchte sie zusätzlich mit Airbrush arbeiten, da sie dann die Farbtöne selbst mischen kann, derzeit ist sie auf industriell gefertigte Farben aus der Spraydose oder Lacke angewiesen.
Für ihre Kompositionen deckt sie die verschiedenen Flächen mit Maskierflüssigkeit (Rubbelkrepp) ab, isoliert Formen, die sie interessieren, etwa eine Holzmaserung oder das innere Gekräusel eines Kohlkopfs, aber auch Tierfell oder einen einzelnen Pinselstrich. Sie legt mehrere Schichten aufeinander an, die sich zu durchdringen, zu kreuzen scheinen, die aussehen, als würden sie übereinander fliegen und schwimmen. Mit den unterschiedlichen Mitteln gewinnt sie so eine hohe Dynamik abstrakter Formen in der Fläche. Bei näherer Betrachtung entwickeln sich schleierartige Aufsichten, verbinden sich unklare Flächen durchscheinend mit dem darunterliegenden Areal, vermischen sich gekonnt auch durch die gesprayte Farbe die verschiedenen Elemente, öffnen ein neues Gebiet.
Aber sie erzielt zudem den Eindruck von Räumlichkeit in der Fläche, eigentlich ja ein Paradoxon: Einerseits ist eine Bildfläche, die Leinwand von vornherein plan, wird dann aber auch noch flächig gearbeitet, ohne wie in vergangenen Zeiten üblich, die möglichst täuschende konstruktion eines Raumes zu versuchen, dann beginnt etwas Neues.
Durch ihr Studium an der Kunstschule Rödel lernte Franziska Wolff von Beginn an Handwerk für Zeichnen, Malerei und Drucktechniken - übrigens auch ein wichtiger Bestandteil ihrer weiteren Ausbildung an der Freien Kunstakademie Mannheim. Und die Drckgrafik, beziehungsweise die Beschäftigung damit, nutzt sie immer wieder zur Klärung ihrer künstlerischen Absichten. So verwendendet sie den sogenannten verlorenen Schnitt oder Reduktionsschnitt auf Linoleum, um verschiedene Farb- und Formwirkungen auszuprobieren. Dabei entstehen sehr eigenwillige, kleinere grafische Arbeiten, die sich unterscheiden und gleichzeitig sehr viel gemeinsam haben mit der malerischen Umsetzung. Beim verlorenen Schnitt können unterschiedliche Bereiche weggeschnitten, anders eingefärbt und übermalt werden. Dann ist eventuellen nachdrucken nicht mehr möglich, weil durch diese Veränderungen am Druckstock (Holzschnitt) oder an der Linolplatte das Gesamtergebnis dann ein ganz anderes ist.
Gemeinsam bleibt den beiden Techniken Franziska Wolffs großartiges Empfinden für Farbklänge, das Zusammenstimmen dieser Modulationen, ohne dass zu viel Harmonie entstünde. Gerade bei den Holz- und Linolschnitten entstehen ja auch spitze, gar abweisende, weil aus kleinen Haken bestehende Formen. Was in der Malerei eher fließend oder treibend, wie in einem Fluss oder Bach sich teilend wirkt, zeigt in der Grafik ein eher störrisches, gar feindseliges Gesicht, trotz der feinen Farbtöne. Sprich, die Freiheit und Offenheit, die sich in den malerischen Arbeiten offenbaren, wirken in der Grafik etwas zurückgenommen. Als wäre der große Rausch durch die kleine Form gestoppt, zusammengebunden und der Untersuchung von einzelnen Farbwirkungen miteinander und und untereinander gewichen.
Der große Rausch bleiben die ausgewählt leuchtenden farben auf großformatigen Leinwänden, die Inbrunst, die Ektase, die sich auf den Flächen ausdrückt. Als äußerten sich gezielt starke Emotionen in strahlenden Farbkompositionen, brennend, glühend, aber dann doch immer wieder bewusst gesetzte Felder und Flächen. Wenn wie in einem ihrer neusten Gemälde sich kleine Formen wie voneinander strecken wollen, aktiv voneinander wegzulaufen versuchen, das eigentlich klare Gerüst des Gemäldes immer mehr vor den Augen verschwimmt. Wenn die unterschiedlichsten Farbtöne fast aufeinanderprallen, aber dann doch nicht, wenn der Eindruck von immenser Lebendigkeit, ja Vehemenz entsteht. Wenn sich Bewegung mit einer zu Grunde lieegenden Ordnung paart, wenn sich heftige Kreuzungen erstaunlicher Farbkombinationen ereignen, wenn das Runde und das Spitze, der Verlauf und die Starre, bekannt aus den Linolschnitten, in der überwältigenden Frabe explodieren, dann zeigt sich die Bedeutung von Franziska Wolff: Ihre große Könnerschaft aus Kalkül und Emotion, aus Spontanität und künstlerischem Wissen, bewirken eine farbliche Pracht, die nie mit Dekoration zu tun hat, weil sie Energien und Dynamiken bindet, ohne sie zu fesseln.
Dr. Susanne Kaeppele